Samstag, 16. August 2008

Ein bizarres Schauspiel.

Nach traurigem Abschied und anstrengendem Flug mit der Lufthansa bin ich am Freitag in Washington DC angekommen. Mein zukünftiger Roommate Hans hat mich dort bereits erwartet um gemeinsam mit dem Super Shuttle ins Hotel zur Übernachtung zu fahren. Bereits auf dem Weg dorthin hat mich Amerika bereits von der Breitseite her getroffen: sechsspurige Straßen, riesige Autos soweit das Auge reicht und dennoch, Washington ist wohl eine eher untypische US-Stadt. Keine besonders hohen Gebäude und Betonklötze, sondern gerade im Zentrum sind so gut wie alle Bauten griechischer und römischer Architektur nachempfunden.

Ein erster Rundgang durch das Weltpolitische Herz der Stadt führte uns am Weißen Haus (das viel kleiner als gedacht ist), am Washington Monument und dem Lincoln Memorial vorbei, vor dem Martin Luther King 1963 seine berühmte "
I have a dream"- Rede hielt. Hier das erste Beweisfoto vom Weißen Haus. Auf den ersten Blick relativ spärlich durch Sicherheitsbeamte

gesichert befindet es sich mehr oder weniger am Rande eines Stadtviertels voller Denk- und Ehrenmäler, politischen Bauwerken und historisch aufgeladenen Orten. Hier merkt man besonders den Stolz der Amerikaner auf ihr Land, der sich in einer schier nicht enden wollenden Zahl an Flaggen ausdrückt.
Ebenso wie der Nationalstolz ist ein mit den USA häufig assoziiertes Thema die starke Verwurzelung und Ausprägung christlichen Glaubens in sämtlichen Variationen. Dieses Klischee wurde am Samstag ersteinmal bestätigt. Das christliche Festival "The Call" fand für einen Tag auf der Mall vor dem Capitol statt. Das bedeutet tausende von tief religiösen Bürgern aus den ganzen USA reisen extra für einen Tag nach Washington um an einem Festival mit christlichen Bands und gemeinsamen Gebeten teilzunehmen, allerdings in einer Art und Weise die ich bisher noch nie erlebt habe. Es war überwältigend, jedoch erschreckend, in gewisser Weise verstörend und absolut bizarr. Schon morgens wurden wir am Festivalgelände überhäuft von Flyern und Zeitungen gegen Abtreibung, gegen Homosexualität und für creationistisches Gedankengut. Tausende Menschen, jeglichen Alters, Herkunft und sozialer Schicht fanden sich ein, um sich, angeleitet von christlicher Rockmusik und auf Zuruf eines Bühnenpredigers in extase zu beten, zu tanzen und den Herrn Jesus Christus zu preisen. Die Menschen warfen sich auf den Boden, knieten im Gras, streckten die Hände in den Himmel: "Oh Jesus, i love you so!" Und der Prediger: "We're a generation of worship, let's praise the lord!" Menschen weinen vor Freude, fallen sich gegenseitig in die Arme - und jeder trägt ein T-Shirt mit fundamental christlichen Aufdrucken ("Now it's time to take the bible literally!"; "Modest is hottest!")und roten "Life" aufklebern um seine Hass auf Abtreibung und Verhütungsmittel zu dokumentieren. Das paradoxe daran ist die Zusammensetzung der Gläubigen: Kinder, Teenager, Studenten, Geschäftsleute, Rentner, Scharze, Weiße, Asiaten, Hispanics, Arm, Reich - ein absolut normal und repräsentativ erscheinder Querschnitt der amerikanischen Gesellschaft. Besonders viele junge Teenagerinnen fallen auf, die sich modisch in Hotpants und bauchfreien Tops kleiden, sich schminken und Schmuck tragen, also in keinem Fall dem Klischee der ultra konservativen Gläubigen entsprechen. Zumindest zu diesem Zeitpunkt und an diesem Ort scheinen die Amis in einem Gedankengut verwurzelt zu sein scheint, dass in Europa seit der Aufklärung als überwunden und rückständig gilt. Und auch abends, als wir ein zweites Mal "The Call" besuchen, stehen größtenteils noch die selben Menschen an den Plätzen vom Morgen und beten und knien, weinen und jubeln. Um zehn Uhr Abends wird das Spektakel nach insgesamt zwölf Stunden in schwüler Hitze von 30°C vom Oberprediger mit einem Spendenaufruf, nein einer Spendenverpflichtung an die entsprechenden Kirchen und Organisationen beendet und die meisten Pilger zücken nach einem ekstatischen Tag im Jesusrausch ihre Geldbeutel und zahlen bereitwillig Beträge in die Kassen der christlichen Extremisten. Das nächste Ziel von "The Call" ist Kalifornien: Dort möchte man in San Diego, dem teuflischen Treiben von Homoehe und liberaler Lebensauffasung ein für alle mal ein Ende bereiten - um danach wieder kräftig Spenden zu sammeln. Nur gut dass ich noch länger in den USA bin um nicht nur dieses erschreckende Bild mit nach Hause zu nehmen.


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